Ein paar Monate nach der Geburt von Nicki wurde sie Teil unserer gemeinsamen Reise. Bis sie 1,5 Jahre alt war, wohnte sie noch im Zuchtstall - danach war sie "Vollzeit" bei mir. In diesem Beitrag möchte ich dir nicht nur ein paar Einblicke in unser Miteinander geben, sondern vor allem auch darüber aufklären, was es mit der Konditionierung auf sich hat und warum ich auf das gezielte Konditionieren weitestgehend verzichten möchte. Und vor allem: wie ich das mit meiner jungen Stute geschafft habe.
So fing alles an
Im Sommer 2015 erfüllte ich mir meinen Traum einer jungen Stute. Ich sah mir neu geborene Fohlen an und verliebte mich sofort in Nicki. Sie war bereits in ihrem jungen Alter so souverän und hatte etwas Weises an sich, was mich sehr beeindruckte. Es dauerte nicht lange und sie wurde Teil unserer "Herde". Da sie noch recht jung war und im Stall, in dem Néo zu der Zeit stand, keine weiteren jungen Pferde in ihrem Alter waren, entschied ich mich dazu, sie auch noch nach dem Absetzen im Zuchtstall zu lassen. Da sie bereits so früh von mir gekauft wurde, lag der Fokus nicht auf ihr und ihrem Training - dennoch wurde mit ihr bereits einiges gemacht, was Nicki nicht so positiv abgespeichert hat. Doch während der Zeit im Zuchtstall bemerkte ich nichts davon, da ich sie max. 1x pro Woche besuchte und dann auch nur Fellpflege mit ihr machte. Es gab schon die eine oder andere Situation, bei der ich bereits leicht erahnen konnte was mit ihr gemacht worden war. Doch ich machte mir da nicht so den Kopf, schließlich hätte ich es sowieso nicht ändern können und es wären damit höchstwahrscheinlich mehr Probleme entstanden, als das es geholfen hätte. Denn wenn sich ein Pferd bei einem Menschen frei entfalten kann und kommunizieren darf, jedoch bei den anderen Menschen funktionieren muss - ist das für das Pferd mit der Zeit sehr verwirrend. So wird es bei Person X z. B. in die Schranken gewiesen und muss auf Kommando funktionieren, während bei Person Y Mitspracherecht herrscht und das Pferd in dem Moment natürlich alles rauslässt, was im Umgang mit Person X nicht gepasst hat.
Als sie dann ca. 1,5 Jahre alt war, holte ich sie zu mir und Néo. Die Eingliederung verlief erst einmal recht stressig für sie, doch am zweiten Tag wurde sie von einem PRE Wallach in seine Gruppe integriert. Er hatte alle Hände voll zu tun, da sie gerne für sich war und ständig herumgestreunt ist 😅
Übrigens hat sie es sogar einmal nachts geschafft den Zaun zu öffnen, um mit einer weiteren jungen Stute spazieren zu gehen. Mehrere Dörfer weiter wurde sie dann gesichtet und zurück gebracht (ich war damals leider im Urlaub). Aber mal wieder zurück zu unseren Anfängen:
Für mich war es damals schon wichtig, mehr in die friedvolle Kommunikation mit ihr zu gehen, anstatt sie nach meinen Ansichten zu trainieren. Mir war es also wichtig, dass sie verstand, um was es ging und nicht blind auf das reagierte, was ich verlangte. Aus diesem Grund möchte ich auch heute noch weitestgehend auf das gezielte Konditionieren verzichten (du erfährst darüber später noch mehr). Dennoch bin ich natürlich nicht grundlegend gegen das Konditionieren mit Leckerlies, wie zum Beispiel für unumgängliche Dinge, wie das Halfter aufzuziehen. Das konditionierte ich dann auch bei Nicki, da sie recht große Angst davor hatte. Doch alles Weitere versuche ich nach wie vor durch unsere Beziehung, die native Pferdesprache und mein Energie- und Körperbewusstsein zu händeln.
Ist das nicht gefährlich, wenn ein junges Pferd gar nichts kann?
Ich habe bewusst geschrieben "...gar nichts kann", da viele der Meinung sind, dass Pferde erst gut erzogen oder gut trainiert wären, wenn sie kommentarlos alles ausführen, was verlangt wird - egal wie es dem Pferd dabei geht. Doch das Spannende ist, dass ich mit Néo genau das durchgemacht habe - Néo kam ebenfalls mit knappen 2 Jahren zu mir. Und er konnte bereits sehr viel in seinen jungen Jährchen. Er konnte bereits an der Kutsche laufen, jede Gangart unter dem Sattel (mehr oder weniger) und an der Hand ebenfalls. Er wusste was Longieren ist und diverse andere Dinge, die einem Pferd so beigebracht werden. Aber Pustekuchen - mit ihm war es definitiv nicht ungefährlich... Erst seit ich diesen natürlichen, einfühlsamen Weg gehe, hat sich das verändert. Da es jetzt nicht mehr darum geht, dass er funktioniert, sondern dass unsere Beziehung gut ist und ich mir bewusst bin, was ich permanent mit meinen Bewegungen und meiner Energie aussende. Ich habe ihm unzählige Male bewiesen, dass ich absolut präsent bin und auf seine Fragen immer eingehe. Dass ich gut für mich sorgen kann, was für ihn wieder wichtig war, weil er dann wusste, dass ich im Umkehrschluss auch gut für ihn sorgen konnte. Er kann mir blind vertrauen, da er weiß, dass ich seine Sprache spreche. Und wenn etwas wirklich ernst und wichtig ist, kann ich diese Präsenz und diese Energie aufwenden und beide spüren, wie wichtig diese Situation ist und folgen der Notwendigkeit, die ich ihnen durch meine Absicht klar kommuniziere. Außerdem habe ich ihnen so oft bewiesen, dass ich es gut mit ihnen meine, dass ich auf ihre Bedürfnisse achte und wir in permanenter Kommunikation stehen, sodass schon allein aufgrund unserer guten Beziehung kaum Diskussionen anfallen.
Mit Nicki hatte ich keinen direkten Vorher-Nachher-Vergleich da ich auch die Erste war, die mit ihr ins Gelände ging. Auch dort verlief alles wie am Schnürchen - durch die friedvolle Kommunikation. Was wir als Pferdemenschen erst noch lernen müssen ist, mit der Lebendigkeit der Pferde und deren lebendigen, schnellen Kommunikation umzugehen. Pferde sind in diesem Umgang nämlich nicht ausschließlich Reaktiv (d. h. sie reagieren nur auf Kommandos des Menschen) sondern vor allem Proaktiv (d. h. sie initiieren, gehen ihren Gedanken und Bedürfnissen nach und kommunizieren es permanent mit ihrem Mensch). Denn die Spaziergänge mit Nicki sind nicht so gemütlich wie es sich vielleicht viele erträumen. Ja, entspannt, wunderschön, lustig - aber auch sportlich, sehr kommunikativ und facettenreich. Denn wenn wir gemeinsam unterwegs sind, spricht sie permanent, ohne Punkt und Komma. Und mit sprechen meine ich natürlich die native Pferdesprache.
Ein paar Beispiele, wie sich Pferde in ihrer Sprache uns Menschen gegenüber ausdrücken
Ah, das Gras ist so schön saftig... ich nehme mir etwas davon.. ok, alles klar - hier grasen wir also nicht, in Ordnung
Die Frage sieht also so aus: Der Blick geht zum Boden, der Kopf senkt sich leicht. Würde ich nicht sofort reagieren, wäre meine Antwort in dem Moment: "Ja du darfst hier grasen". In diesem Dialog habe ich aber reagiert und beim Absenken des Kopfes bereits meine Hand gehoben und ihr zu verstehen gegeben, dass wir hier nicht grasen werden.
Die Frage kann sich mehrmals wiederholen - und ich muss mehrmals sagen "Nein, auch hier grasen wir nicht". Natürlich könnte ich das auch trainieren. Mit Néo habe ich das tatsächlich auch einmal vor langer Zeit gemacht. Doch daraus entpuppten sich so viele Fallen... zuerst habe ich es negativ verstärkt indem ich Druck aufbaute, sobald er grasen wollte. Ich habe es ihm sozusagen ungemütlich gemacht, wenn er grasen wollte. Doch das ging nach hinten los, weil er sich mir dann nur noch entledigen wollte... Dann habe ich es positiv verstärkt, in dem ich ihm immer eine Möhre reinschob, wenn er vom Gras wegging. Doch er war nicht dumm und so nutzte er jede Gelegenheit, sich noch etwas davon abzuholen. Ich versuchte noch einige andere Methoden, die zwar mal gut, mal weniger gut funktionieren - jedoch nachhaltig nichts brachten. Im einfühlsamen Dialog jedoch, ist es schnell klar, dass draußen nicht gefressen wird (zumindest lasse ich das selten zu, da die beiden genug in Eigenregie zu fressen haben). So kommt mal die eine oder andere Frage - aber kein vehementes Ziehen oder irgendeine Diskussion.
Wow, ich fühle mich so gut! Der Weg ist so toll! Ich würde so gerne ein Stück weiter vorne laufen... Du machst das so gut und ich will unbedingt lernen, wie du so souverän anführst!
Eigenlob stinkt (nicht) 😁 - aber das ist die Frage, wenn das Pferd freudig und unaufgeregt schneller nach vorne kommt und den Menschen überholt - immer mit dem Blick, den Ohren und der Energie beim Menschen. Genau das will ich gerade bei meiner jungen Stute. Deswegen freue ich mich immer wie ein Schnitzel, wenn sie vor kommt und lobe sie die ganze Zeit, wie gut sie anführen kann (denn das ist ausschlaggebend dafür, dass sie sich dann auch sicher mit mir auf ihrem Rücken fühlt).
Manchmal fragt sie auch an, ob wir gemeinsam traben und ja - manchmal artet es auch in ein Wettrennen aus. Aber gerade bei Stuten ist das normal, weil das ihre Art des Spielens ist - Stuten laufen gerne zusammen. So lange man das Spiel wieder beenden kann, ist alles gut. Bei mir reicht es, wenn ich mir vorstelle durch Honig zu gehen und dabei tief ausatme.
Zeitweise gebe ich gerne die Führung an meine Pferde ab. Ich muss nur schnell handeln, wenn ich merke, dass es kippen könnte. Die Kommunikation und Verbindung sollte jedoch nicht abgetrennt sein. Oft sieht man Pferde, die ihre Menschen herumziehen, doch das ist nicht das, was ich damit meine. Wenn das passiert, ist keine Beziehung vorhanden. Ohne Beziehung brauchen wir gar nichts mit den Pferden machen - das ist wie in einem Haus wohnen, ohne Fundament. Beim kleinsten Windhauch würde das Haus zusammenstürzen - und das ist das, was in den meisten Fällen immer wieder passiert.
Im Großen und Ganzen kann es also nur gefährlich werden, wenn wir nicht präsent sind, nicht die native Pferdesprache sprechen und vor allem keine Beziehung - bzw. kein Fundament aufgebaut haben. Außerdem kann es noch gefährlich werden, wenn uns nicht bewusst ist, was wir permanent ausstrahlen. Welche Themen beim Pferd anschlagen, auf die sie natürlich mit ihrem Verhalten reagieren. So ist jemand, der im Leben häufiger mit Übergriffigkeit von anderen Menschen zu tun hat, auch gefährdeter mit einem Pferd, welches diese Energie spürt. Denn wenn wir nicht auf uns aufpassen können (und damit meine ich nicht, das Pferd immer wieder aus dem eigenen Raum wegzuschicken und daraus eine "Übung" zu machen - sondern es geht darum das Thema zu bearbeiten und vor allem auch im Alltag zu integrieren - hier kannst du mehr darüber lesen), dann handeln wir in den Augen der Pferde nicht schützend für uns selbst, was für ein sicherheitsliebendes Tier problematisch wäre, wenn es sich auf so einen Menschen verlassen muss.
Die Auswirkungen von operanter Konditionierung
Mir ist es wichtig immer ehrliches Feedback zu erhalten. Mir ist klar, dass Konditionierung immer passiert. Doch es ist ein Unterschied, gezielt mit z. B. Leckerlies oder Druck zu Konditionieren- und das ist es, was ich meine, wenn ich davon spreche, dass ich einen Umgang jenseits des Pferdetrainings und jenseits von Konditionierung pflege. Und ja, ich nutze auch (wie bereits zu Anfang erwähnt) die positive Konditionierung mit Leckerlies, wenn ich merke, dass es immens wichtig ist und das Pferd darin aber keinen eigenen Sinn sieht (wie zum Beispiel die Situation mit dem Halfter). Damit du aber noch besser verstehst, was ich meine, möchte ich kurz eine Situation mit Nicki erzählen, vielleicht kennst du die Geschichte ja schon aus einem meiner anderen Blog-Beiträge:
Ich war in der Ausbildung in der Saliho School und damals hatte ich es noch nicht geschafft mit Nicki im Gelände zu traben (Nicki war damals ca. 2 oder 3 Jahre alt). Sie war auch immer weit hinter mir. Da ich wissen wollte, was da los war und warum sie nicht mit mir traben wollte, haben wir uns das gemeinsam angesehen. Ich sollte dann alles in meiner Macht stehende tun, sie zum traben zu motivieren - und oha hab ich alles gegeben - bis zum Asthma-Anfall (ich habe Belastungsasthma). Sie ist nicht einen Schritt mit mir getrabt.
Natürlich hätten wir das nun positiv oder negativ konditionieren können. Ich hätte eine Gerte nehmen können und sie mit der Gerte antreiben können. Ich hätte jeden schnelleren Schritt mit Leckerlies belohnen können... Aber damit hätte ich nur erreicht, dass sie meine Energie nicht mehr wahrnehmen soll. Ich hätte sie systematisch darauf abgestumpft auf meine essenzielle Kommunikation zu hören.
Wir haben dann heraus gefunden, dass ich immer noch mit Selbstablehnung zu kämpfen hatte. Bei manchen Pferden müssen wir das Thema bis zum Schluss bearbeiten (wie bei Néo und seinem Losreisen - er hörte erst auf, als ich meinen neuen Lebensweg einschlug) und bei manchen Pferden reicht es, wenn uns das Thema wieder bewusst wird und wir es akzeptieren, dass es uns nun noch ein Stück begleiten wird. Für Nicki war es nur wichtig, dass ich ihr kommunizierte, dass nicht sie mit der Ablehnung gemeint war. Denn sie dachte, ich lehne sie ab. Sie spürte ja nur diese Energie - sie wusste nicht, dass diese Energie mir selbst galt. So öffnete ich ihr mit meiner Körperhaltung meine Herzseite, was ihr klar machte, dass diese ablehnende Energie nicht ihr galt. Beim zweiten Spaziergang trabte sie mit mir. Und das komplett ohne Training.
So ist es auch in jeder anderen Situation. Nicki hat noch nie gelernt auf Kommando Rückwärts zu gehen. Doch wenn sie bemerkt, dass ich sonst z. B. das Tor nicht öffnen kann, und ich meine Hand vor ihrer Brust halte - maximal sanft rhythmisch hin tippe - geht sie sofort rückwärts. Das muss ich nicht trainieren. Auch wenn sie mal kurz stehen bleiben soll, stabilisiere ich sie mit meiner Erdung. Ich kommuniziere dann auch mit ihr, dass sie mir nicht folgen soll, wenn ich z. B. ihre Hufe auskratzen möchte.
Allem voran ging der Aufbau einer unerschütterlichen Beziehung
Ohne diese Beziehung wäre sie überhaupt nicht bereit gewesen, mir zuzuhören. Ich habe mich sehr um unsere Freundschaft bemüht - das ist nämlich nicht die Aufgabe des Pferdes, wie es z. B. in der Bodenarbeit erzielt wird (dass das Pferd mit der Hinterhand wegweicht, oder allgemein weichen soll, dass es sofort stoppen soll, wenn der Mensch anhält, etc. - das hat nichts mit Beziehungsaufbau zu tun, sondern damit, das Pferd durch Kommandos kontrollierbar zu machen - manche Pferde kommen damit zurecht, manche hassen es kontrolliert zu werden, wie Néo und Nicki - das hat wohl etwas mit mir zu tun 😅). Dann habe ich ihr im Gelände gezeigt, wie präsent und souverän ich bin, dass ich schnell kommuniziere und genau weiß, wann es was braucht (Balance zwischen Führung und Freiheit).
Das Problem der Konditionierung ist, dass wir meist gar nicht wissen, was dem Pferd wirklich dient. Häufig trainieren wir unser Pferd für etwas, was wir uns im Kopf festgesetzt haben. Außerdem verfälscht es für mich die ehrliche Kommunikation. Selbst wenn das Pferd frei ist und entscheiden könnte, das Gewünschte nicht auszuführen, ist jedoch der "Will-to-Please" ja noch vorhanden. In unseren domestizierten Pferden ist das teilweise doch recht stark vertreten, da das Training so einfacher fällt. So wurde mit Pferden gezüchtet, die das Bedürfnis hatten zu gefallen. Und wenn sie dafür auch noch ein Leckerli bekommen - geschafft. Doch für mich ist das nicht ehrlich. Ich will zum Beispiel auch nicht, dass mein hypothetisches Kind die Hausaufgaben macht, weil es danach auf ein Eis hofft (weil ich es ihm versprochen habe bzw. weil es immer dann als Belohnung ein Eis erhält - oder weil es sonst nicht zum Freund darf). Ich will, dass mein hypothetisches Kind die Hausaufgaben macht, weil es einen Sinn dahinter sieht. Und es ist meine Aufgabe diesen Sinn dahinter zu kommunizieren.
Das kann man auch gut bei der "Arbeit" am Platz übertragen. Ich arbeite gar nicht mehr mit Leckerlies. Ich kommuniziere in der nativen Pferdesprache und erzeuge immer wieder selbst belohnende Erlebnisse. Am meisten beschäftige ich mich mit mir selbst und lade meine Pferde immer wieder mal mit ein. Ein selbst belohnendes Erlebnis wäre zum Beispiel: Ich gehe rückwärts durch die Pylonen und Néo folgt mir. Dabei bemerkt er, dass ihm die Biegung sehr gut tut.
Oder: Ich jogge mit der Plane in der Hand vor Nicki entlang und sie folgt mir. Das selbst belohnende Erlebnis wäre hierbei, dass sie sich mutig fühlt, diesem eher gruseligen Objekt (vor dem vor allem Néo echt Schiss hatte) hinterher zu traben.
Ein weiteres, sehr lustiges Beispiel ist das Hinterhertragen von Gegenständen. Néo hat mir immer wieder zugesehen, wie ich die Sachen wieder vom Platz weg räume. Und weil wir eine gute Beziehung haben, wollte er mir helfen und trug für mich eine Pylone zurück an seinen Platz. Auch das entsprang komplett spontan und auch das belohnte ich nicht mit einem Leckerli, sondern Néo belohnte sich selbst damit, da er bemerkte, dass er hier etwas beitragen konnte - dass er helfen konnte.
Auch mit dem freien Longieren gibt es diesen selbst belohnenden Effekt. Doch dazu ein anderes Mal mehr - denn das würde den Rahmen in diesem Beitrag sprengen.
Zurück zu: Die Auswirkungen von gezielter Konditionierung
Wenn wir positiv oder negativ gezielt Konditionieren (also das Pferd konditioniert sich nicht durch selbst belohnende Erlebnisse - wie vorhin beschrieben-, sondern wird gezielt fremd konditioniert), kann der Fokus eher auf der Belohnung liegen, als auf das, was geschieht. Das heißt, dass der Fokus bei der Gabe des Leckerli bzw. bei der Pause oder bei der Bestrafung liegt. Bei meinem hypothetischen Kind wäre es also so, dass das Kind die Hausaufgabe (widerwillig) macht, weil der Fokus auf dem Eis oder dem Freund liegt. Es möchte das Eis haben bzw. zum Freund gehen. Die Hausaufgaben werden Mittel zum Zweck und können eher halbherzig vollendet werden. Manche Kinder haben auch Stress dabei, weil sie es kaum noch abwarten können, das Eis (oder beim Pferd das Leckerli) zu erhalten bzw. sie haben Angst, dass sie nicht zum Freund dürfen, wenn sie die Hausaufgabe nicht gut genug machen (so auch beim Pferd, welches eine Bestrafung erhalten würde, wenn es nicht schnell genug reagiert).
Vor einiger Zeit strahlte RTL eine Sendung aus, die es bereits in Großbritannien einmal gab. Es ging um "Train your Baby like a dog" - um eine "Erziehung" bzw. gezielte Konditionierung mit Clicker-Training (R+). Natürlich bekam die Sendung einen großen Shitstorm, sodass sie (zum Glück) schnell abgesetzt wurde. Doch was im folgenden Video erklärt wird, finde ich auch so passend für unsere Pferde (vor allem von Minute 5:08 - 6:14 könnte man immer wieder das Kind mit "Pferd" ersetzen):
Mir ist klar, dass der Umgang mit einem Pferd nicht gleichzusetzen ist, mit einem Kind. Doch einige Dinge sind schon ähnlich und damit auch besser für uns Menschen nachvollziehbar. Ansonsten haben Pferde eine ganz andere Mentalität, die wir einfach berücksichtigen müssen.
Natürlich ist es kein leichter Weg auf Konditionierung und Kontrolle zu verzichten. Wir als Pferdemenschen müssen so, so viel lernen. Wir müssen lernen, welche Bedürfnisse Pferde wirklich haben, wir müssen ihre Sprache lernen und ihre Mentalität kennen. Wir müssen Kenntnisse über psychologische Hintergründe haben, damit wir verstehen, warum sich Pferde so verhalten, wie sie sich verhalten. Doch wenn wir das tun, werden wir immer wieder reich beschenkt: mit magischen Momenten mit unseren Pferden und einem Leben voller Fülle und Freiheit. Dieser Weg ist nicht dafür bestimmt, dass man hier und da etwas herauspflücken kann. Dieser Weg ist für diejenigen gedacht, die All-In gehen wollen. Die mutig sind, wachsen möchten und keine Angst vor Tiefgang haben. Dieser Weg ist eine Lebenseinstellung. Dieser Weg verändert nicht nur das Miteinander mit deinem Pferd, sondern vor allem auch dich und dein privates Leben. Du befreist dich ebenfalls von belastenden Konditionierungen, von alten Themen und limitierenden Glaubenssätzen. Gehe den Weg der Lebendigkeit, der Freiheit und Selbstermächtigung. Willst du nicht auch eine ehrliche Beziehung führen? Ein Miteinander mit deinem Pferd haben, worin alles sein kann, aber nichts muss?
Ich will nie wieder zurück. Ich hatte früher so große Angst und heute bin ich so im Vertrauen - weil ich weiß, dass mich meine Pferde suchen - und das nicht wegen einem antrainierten Verhalten - sondern weil wir eine tiefgehende Beziehung haben, weil sie mich als Freundin und Vorbild sehen. Und wenn man das Herz und die Seele des Pferdes verdient "gewonnen" hat, dann ist alles andere möglich - denn es geht nicht um das "Was", sondern um das "Wie".
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